Mein Holder wirft mir das schon seit jeher vor, ich weiß es,
Vor Kurzem ärgerte mich mein Appendix und wollte raus. Das
geht nur mit einer Operation und schon zeigte das EKG bei der Vorbereitung
extremen Stress an.
Es war nicht die Angst vor Komplikationen, es war einfach
der Gedanke durch eine Spritze keine Kontrolle mehr über mich zu haben.
Der OP-Pfleger war sehr nett. Dank ihm und Hab-Mich-Lieb-Pillchen
war ich im Vorbereitungsraum gar zu Scherzen aufgelegt. Und dann kam der
Anästhesist. Er legte mir "Sauerstoff" auf die Nase, steckte eine
Spritze auf den Zugang und sagte: "So, gleich schlaaaa..." und schon
wachte ich wieder auf. Mein erster Satz: "Sie Arschloch, das war kein
Sauerstoff, das war Lachgas." In meiner Akte stand dann etwas vom
Durchgangssyndrom, was in meinem Fall einfach nur bedeutet: ich habe geschimpft
habe was das Zeug hielt.
Ok, das war jetzt eine größere Sache...um nicht zu sagen DIE
größte...doch ich wette, ein EKG würde den gleichen Stress anzeigen, wenn ich
dabei zuschauen müsste, wie jemand in meiner Küche werkelt und mir wurde der
Mund zugenäht, die Hände verbunden und die Füße gefesselt, damit ich mich auch
wirklich nicht einmischen kann. Oder wenn Autoritätspersonen...nennen wir sie
LEHRER...über meine Kinder bestimmten und ich hätte nichts mehr zu sagen. Oder
wenn mein Mann den Wochenessensplan schriebe. Oder wenn mir jemand genau vorschreiben würde, wie ich
etwas nähen soll. Oder wenn mir jemand einfach ein Buch schenken würde, ohne dass ich
jemals den Wunsch geäußert hätte. Oder wenn meine Mutter jetzt wirklich käme und mir die Fenster putzen würde, weil
ich es grad dank Operation nicht kann und es tatsächlich nötig wäre...
Kontrolle zu verlieren bedeutet, mich zu verlieren. Wer
verliert sich schon gerne? Mein Mann sagt oft, mein Kontrollzwang wäre schon
krankhaft. Ich kann doch nichts dafür,
wenn er manchmal vergisst mir zu schreiben, dass er auf dem Heimweg ist. Ganz selbstverständlich
schicke ich ihm dann die vorgefertigte SMS mit: "Train?" Und zwar
spätestens um 19:27 Uhr! Immerhin verlässt sein Zug um 19:22 Uhr den Bahnhof... ich mach mir doch Sorgen Ich will doch auch meinen Abend planen und sollte
dann wissen, wer ab 21:00 Uhr noch so im Haus ist, den ich kontrollieren kann
mit dem ich den Abend verbringen kann. Jeden Abend übrigens...schon seit
Jahren...21:05 Uhr geht mit seltenen Ausnahmen, die ich schon mindestens zehn
Stunden vorher weiß, die Tür auf...
Als ich im Krankenhaus am vierten Tag nach der OP sagte:
"Ich muss nach Hause, ohne mich geht es nicht", antwortete der Arzt:
"Glauben sie mir, es geht auch ein paar Tage ohne sie. Geben sie ihr Haus,
ihre Kinder, ihren Alltag einfach mal in andere Hände." Wäre ich in dem
Moment am EKG angeschlossen gewesen, hätte man mich sicher auf die ITS verlegen
müssen.
Meine Recherchen haben ergeben, dass es nicht grade positiv
ist, immer Kontrolle über etwas haben zu müssen. Sicher ging meinem
Kontrollzwang eine Erfahrung in meinem Leben voraus, die ich nicht noch mal
erleben will. Doch eigentlich möchte ich ja nur über mich selbst bestimmen.
Daran kann ich absolut nichts negatives erkennen...außer den Egoismus. Doch da
ich mich auch immer so "kontrolliere", dass es meinem nahen Umfeld
gut geht, paart sich der Egoismus mit Altruismus und am Ende treffen sich beide
bei Null und schwupp...die Welt ist wieder in Ordnung.
Kontrolle bedeutet auch, darauf zu achten, ein glückliches
Leben zu haben. Und dagegen kann ja nun mal niemand etwas einwenden, solange
man andere damit nicht unglücklich macht.
In diesem Sinne:
Gehabt euch wohl! Und nicht immer alles so Ernst nehmen...
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